Die Notwehr

 

Jagd bedeutet Einsamkeit. Draußen im Revier können Jäger schnell in gefährliche Lagen geraten. Begegnungen mit gewaltbereiten Straftätern wie Zurwehme und Schmökel, mit Diebesbanden und Wilderern – all das hat es schon gegeben. In solchen Situationen ist es wichtig, kühlen Kopf zu bewahren und sich vor Schaden zu schützen. Stets stellt sich die Frage, ob und wie man sich bei Angriffen verteidigen darf, insbesondere wann notfalls auch die Waffe eingesetzt werden kann.

 

  

  Notwehrsituation: Der Jäger muss sich gegen den keulenschwingenden Angreifer keineswegs nur mit einer gleichartigen Waffe wehren. Er darf die Schusswaffe einsetzen, wenn er keine andere Möglichkeit hat, um den Angriff abzuwehren.  

  

Von G. v. Pückler

 

 

 

 

1. Vorbemerkungen

 

 

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Die Notwehr ist ein Recht, das wie kaum ein anderes ein „Naturrecht“ ist. Denn es entspricht dem natürlichen Rechtsempfinden eines jeden, dass er sich wehren darf, wenn er rechtswidrig angegriffen wird. Jeder muss das Recht zur Verteidigung haben, sonst taugt die ganze Rechtsordnung nichts.

 

So klar dieser Grundsatz ist, so kompliziert sind die Details. Wann liegt ein rechtswidriger Angriff vor? Wann beginnt, wann endet er? Wie darf ich mich wehren? Muss ich mich in gleicher Weise verteidigen, wie ich angegriffen werde? Oder darf ich ein überlegenes Abwehrmittel einsetzen, um eine körperliche Auseinandersetzung mit ungewissem Ausgang zu vermeiden?

 

 

Notwehr ist nur gegen Angriffe von einem Menschen zulässig; geht die Gefahr von einem Tier oder einer Sache aus, so gilt das Notstandsrecht.

 

Notwehr ist nicht nur gegen Angriffe auf das Leben oder den Körper erlaubt, sondern auch gegen Angriffe auf die Freiheit, das Eigentum, das Jagdausübungsrecht und sogar die Ehre. Gilt der Angriff einem Anderen, so darf man diesem in gleicher Weise helfen, wie man sich selbst verteidigen dürfte. Man spricht dann von „Nothilfe“.

 

Auch Anschläge auf öffentliche Anlagen wie zum Beispiel Bahnlinien, Straßen, Brücken, Strom- und Sendemasten, Wasserleitungen u. a. dürfen daher mit den Mitteln der Notwehr gestoppt oder abgewehrt werden, um Schaden zu verhindern. Anschließend darf der Täter festgenommen und zur Polizei gebracht oder bis zu deren Erscheinen (Notruf mit Handy) festgehalten werden, wenn er unbekannt ist und sich nicht ausweisen kann oder will.

 

Wer einen Angriff absichtlich provoziert, um unter dem Deckmantel der Notwehr zuschlagen zu können, kann sich nicht oder nur vermindert auf Notwehr berufen.

 

Notwehr gegen Notwehr (oder gegen Festnahme) ist nicht zulässig, weil der in Notwehr (zur Festnahme) geführte „Angriff“ nicht rechtswidrig ist; dagegen ist gegen die Überschreitung der Notwehr wieder Notwehr zulässig, weil die Überschreitung rechtswidrig ist.

 

Liegt nur scheinbar ein Angriff vor, nicht aber in Wirklichkeit (so genannte Putativnotwehr, zum Beispiel die Waffe des Angreifers war nicht geladen oder eine wie echt aussehende Spielzeugwaffe), und glaubt der Angegriffene ohne Fahrlässigkeit an einen wirklichen Angriff, so bleibt er straflos. Denn er konnte ja nicht erkennen, dass die Waffe ungeladen oder eine Spielzeugwaffe war, dass er sich also in Wirklichkeit gar nicht in Gefahr befand.

 

 

 

 

2. Voraussetzungen der Notwehr

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Die Notwehr hat drei Voraussetzungen, eine hinsichtlich des Angriffs und zwei hinsichtlich der Abwehr:

 

Gegenwärtiger rechtswidriger Angriff,

 

Erforderlichkeit und

 

Geboten sein der Abwehr.

 

 

2.1. Gegenwärtiger rechtswidriger Angriff

Wann Notwehr geübt werden darf, richtet sich nach dem Vorliegen eines „gegenwärtigen rechtswidrigen Angriffs“.

„Gegenwärtig“ ist ein Angriff, der unmittelbar bevorsteht, gerade stattfindet oder noch nicht abgeschlossen ist.

 

Der Angriff beginnt, wenn der Täter unmittelbar zur Tat „ansetzt“, er also schon eine Handlung vornimmt, die zwar noch nichts verletzt, aber jeden Moment „unmittelbar in eine Verletzung umschlagen kann, so dass durch ein Hinausschieben der Abwehr deren Erfolg gefährdet würde“1) (zum Beispiel Ziehen, Heben, Ergreifen der Waffe, um anzugreifen).

 

Der Bundesgerichtshof weist darauf hin, dass auch heute noch der klassische Satz aus dem Jahre 1532 gilt: Der Angegriffene „ist auch mit seiner gegenweer, bisz er geschlagen wirdt, zu warten nit schuldig“ (der Angegriffene muss mit seiner Gegenwehr nicht warten, bis er geschlagen wird).

 

Man muss also nicht warten, bis der Täter geschossen, zugeschlagen oder zugestochen hat, sondern darf dem unmittelbar zuvorkommen, wenn der Täter zum Schuss, zum Schlag oder zum Stich ansetzt oder ausholt.

 

Der Angriff ist beendet, wenn er abgebrochen, aufgegeben oder abgeschlossen ist (zum Beispiel Flucht des Angreifers = Angriff aufgegeben = keine Notwehr mehr zulässig; Flucht mit Beute = Angriff auf Eigentum noch nicht abgeschlossen = Notwehr noch erlaubt, durch Anhalten, Abnehmen, als letzte Möglichkeit bei nicht unerheblichen Werten nach erfolglosem Androhen und Warnschuss auch Beinschuss, zum Beispiel wenn der Täter sonst mit der Beute entkommen würde.

 

„Rechtswidrig“ ist jeder Angriff, der nicht durch einen Rechtfertigungsgrund gerechtfertigt ist, zu dessen Vornahme der Täter also kein Recht hat.

 

2.2. Erforderlichkeit der Abwehr

Wie Notwehr geübt werden darf, richtet sich nach der „Erforderlichkeit“, also danach, welches in der konkreten Situation zur Verfügung stehende Abwehrmittel verwendet werden darf, um den Angriff sicher abzuwehren.

 

Hierbei muss nicht ein gleichartiges Mittel im Sinne einer „Waffengleichheit“ eingesetzt werden (zum Beispiel Faust gegen Faust, Messer gegen Messer und so weiter); denn sonst hätte der alte, kranke, schwache Angegriffene niemals eine Chance gegen den jungen, starken, gewandten Angreifer – es würde das Faustrecht gelten.

 

Es gilt grundsätzlich auch nicht das Prinzip der Verhältnismäßigkeit (außer bei Verteidigung der Ehre und geringwertigen Sachen, siehe unten), sondern das der Erforderlichkeit (Unvermeidbarkeit) des eingesetzten Abwehrmittels.

 

Der Angegriffene braucht sich grundsätzlich auch nicht auf einen Zweikampf mit ungewissem Ausgang und möglichen Körperverletzungen einzulassen, 4) außer er ist erkennbar eindeutig überlegen. Vielmehr darf er das Abwehrmittel wählen, das er zur Hand hat und das eine „sofortige und endgültige“ Beseitigung der Gefahr erwarten lässt. Er muss nicht auf weniger gefährliche Verteidigungsmittel zurückgreifen, wenn deren Wirksamkeit zweifelhaft ist.

 

Wie er das verfügbare Abwehrmittel (hier: die Waffe) einsetzen darf, ergibt sich aus der Intensität der konkreten Gefährdungssituation (siehe unten).

 

Der Bundesgerichtshof 6) führt hierzu aus: „Der Rahmen erforderlicher Verteidigung wird durch die gesamten Umstände bestimmt, unter welchen Angriff und Abwehr sich abspielen, insbesondere durch die Stärke und die Gefährlichkeit des Angreifers und durch die Verteidigungsmöglichkeiten des Angegriffenen.

 

Grundsätzlich darf der Angegriffene das für ihn erreichbare Abwehrmittel wählen (auch eine Schusswaffe, sogar die, die er ohne Erlaubnis führt), das eine sofortige und endgültige Beseitigung der Gefahr erwarten lässt.

 

Beim lebensgefährlichen Einsatz einer Schusswaffe sind aber Grenzen gesetzt. Er ist zwar nicht von vornherein verboten. Er kann aber nur das letzte Mittel der Verteidigung sein.

 

In der Regel ist der Verteidiger gehalten, deren Verwendung zunächst anzudrohen. Reicht dies nicht aus, so muss der Verteidiger, wenn möglich vor dem tödlichen Schuss, einen weniger gefährlichen Waffeneinsatz versuchen. In Frage kommen ungezielte Warnschüsse oder, wenn diese nicht ausreichen, Schüsse in die Beine, um den Angreifer kampfunfähig zu machen, also solche Abwehrmittel, die einerseits für die Wirkung der Abwehr nicht zweifelhaft sind und andererseits die Intensität und Gefährlichkeit des Angriffs nicht unnötig überbieten.“

 

Das bedeutet: Die Folgen der Abwehr (zum Beispiel durch einen Schuss) dürfen schwerer sein als die durch den Angriff drohenden (zum Beispiel durch einen Schlag), sofern nur – und das ist entscheidend! – eine andere (mildere) sichere Verteidigungsmöglichkeit in der konkreten Situation nicht gegeben ist, der Einsatz des überlegenen Mittels also unvermeidbar war.

 

Der Angegriffene darf also beim Einsatz seiner Waffe „keine andere Wahl“ mehr gehabt haben, als diese einzusetzen. Dann trägt der Angreifer das Risiko, bei der Abwehr seines Angriffs erheblich verletzt oder gar getötet zu werden.

 

Beispiele:

A. (Angreifer) beschimpft J. (Jäger) als Tiermörder = gegenwärtiger rechtswidriger Angriff auf die Ehre; Abwehr nur durch Worte, keine Gewaltanwendung, am besten weitergehen.

 

Auch bei bloßer Störung der Jagdausübung ohne gewaltsame Übergriffe (zum Beispiel durch Verscheuchen oder Vergrämen des Wildes) scheidet ein Einsatz der Waffe grundsätzlich aus. Hier sind Aufklärung und Überzeugung, Anzeige (Ordnungswidrigkeit) sowie zivilrechtliche Maßnahmen (Klage auf Unterlassung) angesagt.

 

Anders ist es aber bei gezielter Gewaltanwendung gegen Jäger: In diesem Falle ist eine Notwehrsituation gegeben, so dass der Angriff im Rahmen der Erforderlichkeit abgewehrt werden darf. Bei mehreren Jägern dürfte allerdings ein Waffeneinsatz in der Regel nicht „erforderlich“ sein, außer sie werden mit Schlag-, Stich- oder Schusswaffen angegriffen.

 

A. greift J. ernsthaft mittels körperlicher Gewalt, Knüppel oder Messer an, J. ist allein, ohne Hund oder sonstige wirksame Verteidigungsmöglichkeit: Einsatz der Waffe ist erlaubt, aber nur „abgestuft“ in folgender Reihenfolge (sofern dafür genügend Zeit zur Verfügung steht):

 

1. Stufe: Androhung des Waffeneinsatzes; falls erfolglos:

2. Stufe: Warnschuss (in die Erde, zwecks späteren Nachweises); falls erfolglos:

3. Stufe: Arm- oder Beinschuss (möglichst kleine Kugel oder nicht volle Schrotgarbe, das ist ausreichend); falls erfolglos:

4. Stufe: Körperschuss.

 

Geht es bereits um Leben oder Tod, etwa weil A. schon zum Schuss anschlägt oder zum Zustechen ausholt, so darf natürlich sofort auf ihn geschossen werden, auch auf den Körper, ohne Einschränkung (unkontrollierter Schnellschuss).7) Ein zweiter oder folgender Schuss ist grundsätzlich nur „erforderlich“, wenn der vorangegangene den Angriff noch nicht sicher abgewehrt hat.

 

Ist der Angriff abgewehrt und der Täter verletzt, so ist ihm Erste Hilfe zu leisten, sofern dies ohne Eigengefährdung möglich ist, und ein Rettungswagen zu holen. Anschließend ist bei der Polizei gegen den Täter Anzeige zu erstatten, zum Beispiel wegen Wilderei, Sachbeschädigung versuchter gefährlicher Körperverletzung oder versuchten Totschlags.

 

Hat A. Komplizen, so liegt der Einsatz der Waffe noch näher; hat J. Helfer, ist eine Verwendung der Waffe in der Regel nicht „erforderlich“. Der Einsatz eines geeigneten Hundes geht dem Waffengebrauch grundsätzlich vor, sofern er ein taugliches Abwehrmittel ist.

 

Bei einem Anschlag auf wichtige öffentliche Anlagen darf die Waffe ebenfalls – abgestuft – eingesetzt werden, wenn eine sichere Abwehr auf andere Weise nicht möglich ist.

 

Wir Jäger beobachten wie keine andere Personengruppe die Vorgänge in Wald und Flur – bei Tag und bei Nacht –, so dass solche Begegnungen nicht auszuschließen sind. Ein Handy für Notrufe und sofortige Benachrichtigung der Polizei einschließlich kurzer präziser Täter- und Fahrzeugbeschreibung sowie eventueller Fluchtrichtung, was oft vorzuziehen ist, gehört daher heutzutage immer zur Ausrüstung!

 

2.3. „Geboten sein“ der Abwehr

Die Verteidigungshandlung muss außerdem „geboten“ sein. Diese Voraussetzung dient als Korrektiv; sie soll krasse Missverhältnisse zwischen Angriff und Abwehr verhindern, weil das Merkmal der Erforderlichkeit allein auf die Notwendigkeit des Abwehrmittels abstellt, nicht aber auch auf die Verhältnismäßigkeit.

 

Im Normalfall ist eine Abwehr, die „erforderlich“ ist, damit zugleich auch „geboten“. Sie ist es nur dann nicht, wenn dem Angegriffenen ausnahmsweise ein anderes Verhalten zuzumuten ist (zum Beispiel Ausweichen, Einsatz eines unsicheren Abwehrmittels) oder die Verteidigung völlig maßlos erscheint und deshalb einen Rechtsmissbrauch darstellt. Ein solcher Fall liegt zum Beispiel vor:

 

bei Angriffen von Kindern, Geisteskranken und absolut Volltrunkenen; hier „voll“ abzuwehren, widerspricht der Situation,

 

wenn der Angegriffene den Angriff provoziert und dadurch seine Gefahrenlage selbst verursacht hat,

 

bei einem völlig unerträglichen Missverhältnis zwischen dem angegriffenen Rechtsgut und der durch die Abwehr drohenden Verletzung, zum Beispiel Rettung geringwertiger Sachen durch Waffeneinsatz gegen die Person (Schuss auf den mit nur geringer Beute fliehenden Dieb), Abwehr einer Ehrverletzung, einer unbefugten Fotoaufnahme oder bloßen Belästigung oder Störung durch Waffeneinsatz (Niederschießen nach Beleidigung).)$

 

Wann eine „geringwertige Sache“ gegeben ist, sagt das Gesetz nicht. Dieser Begriff unterliegt daher der Auslegung durch die Gerichte. Teilweise wird in Anlehnung an § 248a Strafgesetzbuch (= Diebstahl „geringwertiger“ Sachen) die dortige Wertgrenze von derzeit rund 50 Mark übernommen teilweise wird also ein „unerträgliches Missverhältnis“ zwischen dem gefährdeten Gut und den Folgen der Abwehr verlangt 10) (Rechtsmissbrauch). Wann das gegeben ist, wird aber nicht klar definiert. Letztlich gibt es keine „feste Summe“, so dass auf jeden Fall ein ausreichender „Sicherheitsabstand“ ratsam ist.

 

Beispiele:

Flieht der Wilderer uneinholbar mit einem gewilderten Hasen, so scheidet ein Einsatz der Waffe als letzte Möglichkeit zur Erlangung des Hasens auf jeden Fall aus. Der Wert eines Hasen ist zu gering, um eine Abwehr mittels Waffengebrauch rechtfertigen zu können.

 

Flieht der Wilderer mit einem gewilderten Reh, so rate ich dringend davon ab, als letztes Mittel nach erfolgloser Androhung und Warnschuss die Waffe gegen die Person des Wilderes (Beinschuss) einzusetzen. Denn erstens ist es zweifelhaft, ob die Gerichte hier die Geringwertigkeit sicher verneinen werden, und zweitens ist der anschließende Stress durch das nachfolgende Ermittlungsverfahren von unbekannter Dauer und ungewissem Ausgang viel zu groß, von der Abwehr (un-) berechtigter Schadensersatzansprüche ganz zu schweigen.

 

Hier sollte man sich daher unbedingt mit einem Androhen und eventuellen Warnschuss in die Erde begnügen, um den Wilderer zum Anhalten (mit eventuell folgender Festnahme) und Herausgeben oder Fallenlassen des Wildes zu veranlassen.

 

Anders bei Waffen: Wer mittels Gewalt die Waffe wegnehmen (= rauben) oder sie stehlen will, zum Beispiel Überfall auf dem Pirschgang oder bei Rückkehr zum Fahrzeug, darf notfalls auch mit Waffengewalt abgewehrt werden (abgestuft, siehe oben). Denn der Wert einer Waffe liegt weit über der Geringwertigkeitsgrenze, und wer solche Absichten hegt, führt nichts Gutes im Schilde. Sowohl der Schutz des Eigentums als auch Gründe des Selbstschutzes sprechen daher hier für eine aktive Verteidigung.

 

Flieht der Wilderer ohne Beute (mit oder ohne Waffe) oder läuft der Beschädiger des Hochsitzes davon, scheidet ein Waffeneinsatz von vornherein aus, weil der Angriff aufgegeben ist.

 

Die Notwehr ist ein reines Verteidigungsrecht gegen einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff, sie deckt keinesfalls ein Hinterherschießen aus Wut, Rache oder Vergeltung!

3. Straflose Überschreitung der Notwehr

Gewissermaßen als „Notbremse“ fungiert § 33 Strafgesetzbuch: Wer aus „Verwirrung, Furcht oder Schrecken“ die Grenzen der Notwehr überschreitet, bleibt straflos.

 

Mit dieser Regelung berücksichtigt das Gesetz die besondere Stresssituation, in der sich der Angegriffene befindet. Ist diese so groß, dass er aus den genannten Gründen den Überblick verliert und falsch handelt, so soll ihm das nicht vorgeworfen werden.

 

Das gilt vor allem bei überraschenden Angriffen, aber auch in sonstigen Fällen. Stets muss die Verwirrung, Furcht oder der Schrecken aber so groß sein, dass die Fähigkeit, das Geschehen richtig zu verarbeiten, in der konkreten Situation erheblich reduziert ist. Normale Angst genügt nicht, Wut und Zorn nie.

 

4. Maßnahmen für die Sicherheit

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Besteht der konkrete Verdacht, dass in Ihrem Revier gewildert wird, sich ein gesuchter Gewalttäter aufhält oder eine Diebesbande ein Beutelager unterhält, gilt folgendes:

 

sofortige Verständigung der Polizei;

 

nach Möglichkeit den Drilling wegen der größeren Verwendungsbreite mitführen;

 

nur noch in Begleitung eines oder mehrerer Jäger in das Revier gehen, sofern eine kurze Jagdpause nicht angemessener erscheint;

 

Hochsitze und Kanzeln meiden, sie sind gut sichtbar, oft bekannt und ohne Rückzugsmöglichkeit;

 

stets auf sichere Deckung achten;

 

besondere Vorsicht bei der Rückkehr zum Fahrzeug, hier kann man leicht aufgelauert werden (Zwangswechsel);

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Kurzwaffe, Handy, Foto, starke Taschenlampe, geeigneten Hund und Vollmantelpatronen mitnehmen;

 

aufgefundene Beweismittel je nach Situation ohne sie mit den Fingern zu berühren (Fingerabdrücke) mitnehmen oder unverändert liegen lassen, um keinen Verdacht zu wecken. Umgebung nicht vertrampeln, sondern fotografieren;

 

Fahrzeug wechselnd und verdeckt abstellen;

 

alles exakt beobachten und notieren, möglichst viele Einzelheiten, besondere Kennzeichen und Merkmale (Größe, Alter, Brille, Bart, Haarfarbe, Anzug, Kfz-Typ und Farbe oder ähnliches), Ort und Zeit.

 

 

 

5. Zurückhaltung ist geboten

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Der Einsatz der Waffe ist immer nur als letztes Mittel erlaubt und sollte nur zur Rettung von Leib und Leben in auswegloser Lage oder erheblicher Werte eingesetzt werden, je nach Situation abgestuft, damit stets die mildeste Art und Weise gewählt wird. Denn das Leben ist unser höchstes Gut, das des Angegriffenen wie auch das des Angreifers.

 

Das Dilemma jeder Notwehr ist: Wer zu spät handelt, riskiert sein Leben, wer zu weit geht, seine Freiheit. Deshalb sollte man stets versuchen, gewaltsame Auseinandersetzungen zu vermeiden und ihnen aus dem Wege zu gehen, damit ein Waffeneinsatz erst gar nicht erforderlich wird.

 

Zu bedenken ist auch, dass bei jedem Gebrauch der Waffe erst einmal ein Strafverfahren gegen den Schützen eingeleitet wird, in dem der Sachverhalt ermittelt und die Waffen beschlagnahmt werden. Bis dieses Verfahren eingestellt wird oder ein Freispruch erfolgt, vergeht oft eine lange Zeit, die jedem hart zusetzt.

 

Hat man die Wahl, so ist es daher allemal besser, Anzeige zu erstatten, als forsch mit der Waffe einzuschreiten, sodann die Folgen eines Verfahrens auf sich zu nehmen und schließlich möglicherweise sogar zu riskieren, am Ende selbst auf der Anklagebank zu sitzen.

 

Andererseits gilt aber auch: Geht es um Leben und Tod, um erhebliche Verletzungen oder Werte, dann besteht kein Zweifel, dass die Waffe als letztes Mittel eingesetzt werden darf, nach Möglichkeit abgestuft, in höchster Not unbegrenzt. Man denke nur an den Doppelmord an einem Jägerehepaar im Wald bei Moritzburg/Dresden und an den bestialischen Mord an einem ansitzenden Jäger bei Kassel vor einem Monat.